Updates, Live

Monday, October 28, 2019

Rainer Maria Rilke, Herbsttag

(image source: Sabine Strassburg AG)
no copyright infringement intended

Ein Gedicht, das die Jahreszeiten als Zeitalter des Lebens meditiert. Es gibt ein Zeitalter der Entwicklung. Man baut sein Haus und seine Familie, man träumt von großen Abenteuern. Und dann kommt eine andere Zeit, zum Nachdenken. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Es ist gut nur einen paar Sommertage zu behalten, um den Wein herzustellen. Es wird in die kommenden Jahre ein guter Begleiter sein, eine Hilfe um alles zu vergessen, auch Ihre eigene Vergesslichkeit. Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde (Prediger, 3.1)


(Herbsttag):
Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
(aus dem Buch der Bilder)




Rezitation: Otto Sander
Musik: Erik Satie
(video by LYRIC and MUSIC)

(Zi de Toamnă):
Doamne, e timpul. Vara a fost lungă.
Aşterne-ţi umbrele peste solare ceasuri,
iar peste câmp, vântoasele ți-alungă.

Poruncă pentru pârgă dă poamelor târzii,
mai dăruie-le două zile calde,
grăbeşte împlinirea, să se scalde
o ultimă dulceaţă în vinul greu din vii.

Cel azi făr’ adăpost, nu-şi va mai construi.
Cel singur astăzi, singur va rămâne :
citeşte, stă de veghe, lungi scrisori compune
şi pe alei, în lung şi-n lat va rătăci
neliniştit, când frunze au să sune.






(Día de otoño):
Señor: es hora. Largo fue el verano.
Pon tu sombra en los relojes solares,
y suelta los vientos por las llanuras.

Haz que sazonen los últimos frutos;
concédeles dos días más del sur,
úrgeles a su madurez y mete
en el vino espeso el postrer dulzor.

No hará casa el que ahora no la tiene,
el que ahora está solo lo estará siempre,
velará, leerá, escribirá largas cartas,
y deambulará por las avenidas,
inquieto como el rodar de las hojas.







(Jour d'Automne):
Seigneur, le temps est proche. L’été fut très grand.
Ton ombre, pose-la sur les cadrans solaires,
et sur les plaines lâche les vents.

Aux derniers fruits ordonne d’être mûrs,
accorde-leur encor deux journées plus sereines,
hâte leur perfection, et presse la suprême
douceur des sucs dans le vin lourd.

Qui n’a pas sa maison, or plus n’en bâtira
Qui solitaire était, longtemps le restera,
Lisant et prolongeant ses lettres et ses veilles.
Et, agité, il marchera de-ci, de-là
dans les allées où tournoieront les feuilles.




dit par Alain Cuny
(video by Poème)



(Autumn Day):
It is time, Lord. Summer was grand.
Now lay your shadow on the day,
and bathe your fields in the wind.

Let the late harvest linger.
Give it two more southern days.
Make it full and bring her
final sweetness into those heavy vines.

If you have no house now, you never will have one.
If you are alone now, you will always live alone,
Reading late in the fading light. Writing letters with no end.
Wandering dark alleys.
Restless and uneasy. A leaf on the wind.





(Rainer Maria Rilke)

Labels:

0 Comments:

Post a Comment

<< Home